Dienstag, 17. Februar 2009

das letzte Update

Werte Leserschaft,

seit über einem Monat weile ich nun bereits wieder in der (momentan sehr) tristen, grau-kalten Heimat und habe soeben beschlossen, den lange gehegten Vorsatz in die Tat umzusetzen, den Blog endlich zu vervollständigen und damit abzuschließen. Obwohl mir mein Indienaufenthalt mittlerweile wie ein unwirklicher Traum erscheint und ich kaum glauben kann, dass dieses ganze Paralleluniversum tatsächlich weiterexistiert, dass irgendwo Menschen auf mir wohlbekannten Straßen und in mir wohlbekannten Häusern ihrem für sie so normalen und für mich doch so fremden, andersartigen Alltagsleben nach- und hinterhergehen und dass das alles jetzt wieder ohne mich abläuft, als wäre ich nie dagewesen.. Trotz dieser Tatsachen wird doch beim Betrachten meiner Bildermassen zumindest ein Teil des indischen Lebens in mein Gedächtnis zurückgerufen. Auf dass diese Erinnerungen nicht verloren gehen und um sie mit meinen Abonnenten zu teilen, möchte ich hier noch einige Eindrücke verewigen.

Danke für die vielen Kommentare, Anregungen, Vorschläge und Grüße!

Viel Spaß bei der Restlektüre und bis zum nächsten Mal :)

la Vicky


die Zeit des Abschieds

Als wir um 6 Uhr morgens in Mumbai ankamen, blieben uns noch 18 Stunden, bis wir Asien wieder verlassen mussten. Nach einem ausgedehnten Frühstück (solltet ihr jemals die Gelegenheit bekommen, Chikoo-Milchshake zu trinken… TUT ES!! Sowas von lecker!) begaben wir uns zum letzten Mal zu den Sharmas, wo wir verzweifelt all unser Gepäck in unsere Rucksäcke quetschten und anschließend wie im Wahn die allerletzten Rupien auf den Kopf hauen gingen.. wir setzten sie in rock salt aus dem Himalaya, eine Kurta (siehe Bild), Kokam-Syrup, einen Messingkrishna und andere nützliche Gegenstände um. Von den gastfreundlichen Sharmas erhielten wir zum Abschied Kajukatri (eine Süßigkeit aus Cashewnüssen, Zucker und Silber) und Puris (frittierte Plätzchen), außerdem bereiteten sie uns zum Abendessen ein wahres Festessen: Aloo Vada! Das sind frittierte Kartoffelbällchen, die in mit süßen und sauren Chutneys bestrichene Brötchen gestopft werden.


Und zum Abschluss bereitete uns Mumbai noch den Abschied, der seiner würdig ist. Ich persönlich fühlte mich da leicht an meine Ankunft mit Hindernissen erinnert.. Unser Flug sollte um 1:40 Uhr abheben. Laut Reiseführer empfiehlt es sich bei internationalen Flügen, gut und gerne vier Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein, um alle Kontrollen in Ruhe durchlaufen zu können. Wir wollten daher um 21 Uhr die Wohnung der Sharmas verlassen, sodass wir spätestens um 22 Uhr den Chhatrapathi Shivaji International Airport erreicht hätten.. jedoch wurde uns dieses Vorhaben von Dr. Ganshyam Sharma ausgeredet, der meinte, auch zwei Stunden vor Abgluf anwesend zu sein reiche bei Weitem. Ich persönlich schenkte ihm leicht Glauben, Carsten war nicht einverstanden, ließ sich aber schließlich überstimmen.. aber grummelte mir unzufrieden „Auf deine Verantwortung.“ entgegen. Als wir um 23 Uhr das Haus verließen, eilte Dr. Sharma zur Hauptstraße, um uns eine Riksha zu rufen.. ich wurde leicht stutzig, als er nach 15 Minuten noch nicht zurück war, denn länger als zwei Minuten kann ein solches Unterfangen selbst Mitten in der Nacht nicht dauern. Schließlich kam Ganshyam zurück – mit der Nachricht, dass sich die Rikshafahrer weigerten, eine solch große Distanz wie die zum Flughafen zurückzulegen, da sie Aufgrund eines Tankstellenstreiks kaum noch Gas in ihren Tanks hätten. Kurzentschlossen verfrachtete Dr. Sharma uns deswegen in sein eigenes Auto, um uns zum Flughafen zu fahren. Nach etwa 10 Minuten brach mir der kalte Angstschweiß aus, weil wir in einem für diese Uhrzeit allerdings sehr ungewöhnlichen Stau zum Stillstand kamen. Nach weiteren fünf Minuten erkannten wir dessen Ursache: Vor einer Tankstelle hatte sich eine kilometerlange Schlange von erzürnt hupenden Autofahrern gebildet. Im Laufe der Fahrt passierten wir noch mehrere solcher Anhäufungen.. ich hatte meine Fingernägel in den Autositz gekrallt und malte mir aus, wie ich für teures Geld neue Flugtickets kaufen musste. Auf dem Highway schließlich fand Ganshyam, dessen eigener Tank ebenfalls fast leer war, schließlich einen Taxifahrer, der bereit war, uns für einen Preis, der dem doppelten Normalpreis entsprach, doch noch zum Flughafen zu fahren. So kamen wir endlich doch noch pünktlich am Flughafen an und wurden sogar entgegen unserer Befürchtungen in das Gebäude eingelassen – dies ist nämlich nur mit gültigem Ticket erlaubt und wir beide besaßen nur Buchungsnachweise und ein passenger itinerary. Zuletzt ließ sich Carsten noch beinahe von einem uniformierten Labersack eine Waschmaschine.. äh eine Miles-und-More-Mitgliedschaft aufschwätzen und mir wurde bei der Rucksackdurchleuchtung leider mein Taschenmesser abgenommen, das ich sehrdummerweise darin vergessen hatte. Aber schließlich und endlich hatten wir dann doch adrenalinberauscht alle Hürden genommen und bestiegen das Flugzeug, das uns gen Heimat trug.

Margao

Nach vier Tagen war es Zeit, die Heimreise anzutreten. Einerseits waren wir traurig, dass sich das Abenteuer Indien seinem Ende zuneigte, andererseits verspürten wir beim Gedanken an Zuhause auch eine gewisse Vorfreude, dich ich in diesem Ausmaß gar nicht erahnt hätte. Mit dem Zug galt es, in drei Tagen etwa 1500 Kilometer zurückzulegen.. Einen unserer Zwischenstops legten wir in Margao (in Goa) ein. Unsere letzte Nacht auf indischem Boden verbrachten wir gemeinsam mit schätzungsweise 25 Kakerlaken im ekelhaftesten Hotel, das wir bis dahin erwischt hatten. Interessant war der Fischmarkt (selbst getrockneter Fisch hat einen sehr charakteristischen.. Fischgeruch).Das nette Kerlchen auf dem Foto heißt übrigens Bombil oder Bombay Duck und soll gekocht eine Spezialität sein. Endlich bekamen wir auch ein bisschen was vom gepriesenen „europäischen Flair“ Goas mit, den wir bei unserem ersten Aufenthalt in Goa aus Krankheitsgründen leider nicht näher untersuchen konnten. Wir kauften von unserem restlichen Geld Andenken, wie etwa Coconut Feni (Palmenwein), Korriander, Safran und „echt antiken“ Silberschmuck.

Varkala

Einen Tag später erreichten wir das letzte Ziel unserer Reise, das nur etwa 200 Kilometer (für indische Verhältnisse tatsächlich ein Klacks!) vom südlichsten Zipfel des Subkontinents entfernt war: Varkala. Dieses in der Nähe der wohlklingenden Stadt Thiruvananthapuram gelegene Dorf ist – ähnlich wie Goa – eine Touristenhochburg und erstaunlicherweise auch von Pauschalreisenden Jungfamilien mit Kleinkindern äußerst gut erschlossen. Auf den herrlichen Klippen aus rotem, recht bröselig wirkenden Fels tummeln sich daher auch Pumpernickel Bakerys und Restaurants mit mexikanischer Küche, sowie mindestens 30 (unübertrieben!) tibetanische Andenken-Shops.. der Buddhismus ist im Westen eben einfach beliebter als der Hinduismus. An jeder Ecke kann man sich auf traditionell indische Art und Weise die Augenbrauen zupfen lassen, einen Yogakurs machen oder tanzen lernen.. Der tolle Strand, die Palmen und das Wetter machten aber die verdammt hohe Touristendichte von etwa 100% wett.



Kerala Backwaters

An einem Tag nahmen auch an einer dreistündigen Kerala-Backwaters-Tour teil. Die Backwaters bestehen aus 1500 Kilometern teils natürlicher, teils künstlich angelegter Kanäle entlang der Westküste Südindiens, auf denen immer noch etwa 70% des Güter- und Personentransports der küstennahen Regionen abgewickelt wird. Man kann dort mehrtägige Hausboottouren genießen.. oder wie wir mit einem Langboot durch die Dörfer und Planatagen gondeln. Die Fortbewegungsweise erinnerte tatsächlich an die venezianischen Gondeln, wir wurden von einem Mann navigiert, der mit einer langen Stange in den Kanälen stocherte. Leider enttäuschte uns die Tour ein wenig, da wir weder die Fischfarm noch die Gewürzplantagen besichtigten. Wenigstens besuchten wir eine Kokosfaserseilmanufaktur und konnten die unglaubliche Idylle der Backwaters erleben. Wir sahen exotische Vögel und Ananasgewächse und von der Außenwelt abgeschnittene Dörfer..

Sylvester

Wir waren Stammgäste im Café del Mar, obwohl die Kellner uns mit Nichtbeachtung straften. Hier verbrachten wir auch unser extrem unmotiviertes Sylvester. „Solln wir aufstehn und das Feuerwerk angucken?“ „….“ „Ja ok, was für ne Frage..“ Irgendwie wollte bei 28 Grad und Palmenkulisse und Fehlen von Freunden und Verwandten einfach keine Feierlaune aufkommen.

kulinarische Genüsse

Carsten wollte unbedingt mal diese lieblichen Genossen hier probieren.. und nirgends kann man das wohl frischer als an der Küste Keralas. Dafür nahmen wir auch die allabendlichen Stromausfälle in den Restaurants in Kauf, bis zu 2 Stunden Wartezeit ab Bestellung und die entzückende Überraschung einer über nackte Füße krabbelnden Küchenschabe von der Größe eines Hirschkäfers.

Mangalore

Von Mysore aus fuhren wir mit dem Zug nach Mangalore, die sechstwichtigste Hafenstadt Indiens. Vor allem Pfeffer, Kaffee und Cashewnüsse werden hier verladen – bis zu 33 Millionen Tonnen jährlich. Auch wir bekamen von diesen gewaltigen Exporten etwas zu spüren.. und zwar am Bahnsteig. Als wir aus dem Zug stiegen, fielen uns gleich Stapel von Säcken ins Auge. An einigen Stellen waren sie aufgeplatzt und wir konnten den Inhalt erkennen: rote Chilischoten. Wenige Sekunden wurden wir auch schon von Nießreizen gepackt.


Zunächst begaben wir uns auf eine Busfahrt durch die Stadt (allerdings entpuppte sich unser Ziel, die Ruine eines Forts Tipu Sultans, als klägliche Mauerformation am Ende der Welt) und endeten schließlich am Strand, wo wir erstmals dem Rauschen des Indischen Ozeans lauschten und eine Wassermelone schlachteten.