Dienstag, 8. Februar 2011

Triveni ki shadi

Letzte Woche folgte ich höchst bereitwillig der Einladung meiner Kommilitonin Triveni, der im Rahmen ihrer Hochzeit stattfindenden reception beizuwohnen. Sie hatte mich eine Woche zuvor in der Law Faculty abgefangen und mir freudenstrahlend ein paar goldene Gulab Jamuns sowie einen gleichfarbigen Briefumschlag in die Hand gedrückt, mit welchem Sie die Familie von „Shri Frank Otto“ herzlich zu ihrer Hochzeit einlud. Triveni (ihr Name heißt übrigens „drei Flüsse“) und ich saßen letztes Semester ab und zu in environmental law nebeneinander und haben uns ein bisschen unterhalten, aber ich wusste z.B. nicht mal, wie sie heißt, bis ich ihren Namen auf dem Umschlag lesen konnte. Für mich war sie einfach.. sehr klein und still und ihr Englisch war nicht so gut und sie redete immer ganz aufgeregt mit mir, sie wirkte ..nicht unsicher, aber ein bisschen schüchtern, als käme sie aus einer Familie, in der es für ein Mädchen sehr ungewöhnlich ist, selbstständig oder.. kontaktfreudig zu sein. Naja, das war irgendwie mein Eindruck. Dementsprechend war ich doch recht überrascht, als sie mich einlud.. und meine Geschwister und Eltern (mehrfach) auch.. irgendwie.. war das so.. süß :) Freudenstrahlend sagte ich zu.. fühlte mich aber etwas unwohl bei der Vorstellung, auf einer Hochzeit zu tanzen, auf welcher ich rein niemanden kannte. Nachdem sie mir mehrfach versichert hatte, sie werde auf mich warten, fasste ich jedoch den Entschluss, tatsächlich aufzukreuzen. Vor allem wegen des kostenlosen Abendessens sollte man eine solche Gelegenheit ja grundsätzlich nicht verstreichen lassen!

So packte ich an besagtem Abend Sanyat, Isha und ein hyperkitschiges Blumengesteck in eine Riksha und auf ging’s nach Padam Nagar, einem Viertel Old Delhis. Die reception sollte laut Einladung um 20 Uhr beginnen.. wir kamen kurz vor 9 an, der relativ kleine marriage ground war noch fast leer. Wir setzten uns auf rot bespannte Stühle und warteten, niemals cold drinks, Kaffee oder pakoda-Snacks ausschlagend, wobei die unverhohlen neugierigen Blicke der Verwandtschaft uns nur in den ersten fünf Minuten leicht verunsicherten. Isha äußerte mehrfach Bedenken, ob wir uns in Anbetracht der Tatsache, dass sowohl Braut als auch Bräutigam bisher durch Abwesenheit glänzten, überhaupt sicher sein könnten, dass wir uns auf der richtigen Feier befänden. Wir schlugen alle Zweifel in den Wind. Beunruhigend war jedoch auch ein penetranter professioneller Sikh-Kameramann, der wohl beschlossen hatte, mir die Hauptrolle im Hochzeitsvideo zukommen zu lassen und uns quasi auf Schritt und Tritt folgte und Standbilder von meinem Gesicht oder unserem Gesteck oder beidem, Gesicht und Gesteck auf die Leinwände projizierte. Besonders peinlich wurde dieses monitoring als wir kurz darauf beschlossen, die Wartezeit mit essen zu verkürzen. Dazu begaben wir uns an die Snack-Bar und aßen Obstsalat mit Chunky Chaat Masala, Aloo Tikkis, Chillas (Besan-Pfannkuchen mit Paneer-Füllung, mein erstes Mal! wir hatten gleich 4 davon!), Pani Puri.. und Eis! Ich glaube, wenn die Fotos und Videos des Abends später ausgewertet und im Kreise der Familie angeschaut werden, könnte ich mich rückwirkend blamieren.. „Ah, da ist das ausländische Mädchen.. sie isst Eis. Und dann essen sie Nudeln. Und da isst sie schon wieder Eis.. und Obstsalat.. und nochmal Eis?! Und dann haben sie Kaffee.. und .. Eis?!“ :) ich hatte mindestens fünf Kugeln..! das war aber definitiv die richtige Entscheidung, denn die Hauptspeisen waren wirklich nicht gut, Pulao, Mix Veg und Naan schmeckten allesamt ziemlich modrig..

[Trivenis Schwester und ein paar Cousinen erwarten die Ankunft des Bräutigams]

Gegen 22.30 Uhr kam dann endlich der Baarat an, das ist die Hochzeitsprozession, in welcher der beturbante Bräutigam auf einem weißen Pferd und gefolgt von seinen Verwandten und einer Blasmusikband zum marriage ground reitet. Dort wird er von der Mutter und den Schwestern der Braut empfangen und dann führt der Familien-pandit (Priester) einige religiöse Rituale aus.. es war so cool, das Prozedere wahrhaft aus erster Reihe mitzuerleben (was möglich war, da die meisten Gäste die weitere Plünderung des Buffets dem Beiwohnen der alten Zeremonien vorzogen), auch wenn alles ein wenig random wirkte, weil es zwischen den zwei Familien und dem pandit eine kleine Diskussion über die ordnungsgemäße Abwicklung der Riten kam.. wie immer spielten Kokosnüsse eine Hauptrolle.

[der Bräutigam durchläuft bei Ankunft des Hochzeitsgeländes das übliche Prozedere.. und sah dabei irgendwie nicht wirklich entspannt aus]

Nachdem der Bräutigam dann auf der übertrieben geschmückten Bühne auf einem goldenen Thron platzgenommen hatte, warteten wir weitere eineinhalb Stunden, bis gegen 23.45 Uhr und damit mit nur vier Stunden Verspätung Triveni auf ihrer eigenen Hochzeit auftauchte. Sie hatte offensichtlich einige Zeit im beauty parlour verbracht, war sie doch über und über dekoriert und so schwer mit Schmuck behängt, dass sie ernsthaft kaum laufen konnte! Aber sie sah wirklich sehr hübsch aus.. nur hatte sie immer so einen ernsten, fast traurigen Gesichtsausdruck. Als sie mich entdeckte, musste sie sich aber das Grinsen verkneifen, das hab ich gesehen :)

[Triveni mit ihren Eltern.. ein irgendwie trauriges Bild, als wäre den Eltern schmerzlich bewusst, dass sie ihre Tochter weggeben.. in einen anderen Haushalt.. und selbst rechtlich gesehen wechselt eine Frau.. wenn nicht den Besitzer, so doch den Verantwortlichen.. die Vormundschaft geht laut Hindu Marriage Act vom Vater auf den Ehemann über..]

Sie setzte sich auf der Bühne neben ihren zukünftigen Ehemann (den sie übrigens erst seit drei Monaten kennt!) und die beiden tauschten dem Brauch entsprechend Blumengirlanden aus. Danach zollt man als Gast Respekt, indem man auf die Bühne kommt und gratuliert, es werden geldscheingefüllte Umschläge überreicht, wovon Beweisfotos gemacht werden.. und das passiert, je nach Besucherstärke, bis zu 4000mal! Auch wenn auf dieser Hochzeit nur sehr wenig Besucher waren, vielleicht um die 200, war es für Triveni und Dilip bestimmt noch ne lange Nacht.. wir drei konnten uns hingegen schon gegen Mitternacht nach Hause begeben.

[uaah, ich seh so verboten groß und unecht aus.. wie eine Comicfigur.. dabei bin doch nicht ich es, die unnatürlich aufwendig aufgemacht ist..!?]

Freitag, 4. Februar 2011

cruise nach Tughlaqabad

Früh am letzten Sonntagmorgen.. wie ich im Rückblick soeben feststelle, bin ich die letzten drei Sonntage jeweils um 6 Uhr aufgestanden.. und meinen treuen Begleiter Sanyat hab ich zu ebensolcher Aktivität gezwungen – doch aus gutem Grund! Früh am letzten Sonntagmorgen setzten wir nämlich den seit Langem gehegten Plan um, einen Ausflug nach Tughlaqabad zu unternehmen. Um dieses in Süd-Delhi gelegene ehemalige Dorf (das heute mehr einen relativ ländlich geprägten Stadtteil darstellt) zu erreichen, wählten wir statt unserer beliebten Metro ein vollkommen ungewöhnliches Transportmittel: ein Motorrad, das Sanyat – nein, nicht von einem Onkel, wohl aber von seinem Cousin Lakshya ausgeliehen hatte. Zunächst mussten wir dazu aber doch auf die ausgesprochen liebgewonnene Metro zurückgreifen, um die 30 Kilometer nach Gurgaon zurückzulegen, wo Lakshya wohnt. Dort stiegen wir auf eine leicht ranzige Honda Stunner (ja, schon ein echter Beeindrucker) um und brausten Richtung Osten.

Sanyat hatte am Vortag einen Helm von Aneesh, seinem Moot-Court-Kollegen, ausgeliehen, den ich nun trug. Als wir nach kurzer Fahrt auf einen Highway auffuhren und das Tempo beschleunigten, lernte ich die immense Effizienz schätzen, mit welcher diese Plastikschale mein Hirn zu schützen vermochte: Das für mein Schädelvolumen viel zu große Teil wurde vom Fahrtwind von meinem Kopf geblasen und nur dank eines relativ locker sitzenden Halteriemens verblieb es in Körpernähe, wie ein lächerliches Häubchen flatterte es umher und strangulierte mich dabei nahezu.. mit geschwindigkeitsbedingten Tränen in den Augen bat ich Sanyat schreienderweise, anzuhalten ,als wir eine Mautstation passierten. Zufälligerweise hatte sich am staubigen Straßenrand ein Motorradhelmhändler niedergelassen, dessen Angebot ich nun inspizierte. Relativ schnell entschied ich mich für ein geschlossenes Modell inklusive Visier in meiner Größe zum sagenhaften Preis von drei Euro.. ich will gar nicht wissen, wieviel die lächerliche Suppenschüssel gekostet haben muss, die ich zuvor getragen hatte.. vermutlich nicht mehr als 50 Cent. Wie wirksam der neue Helm meinen Kopf schützen würde, schien zwar ein wenig fraglich, aber zumindest hielt er den Wind sehr viel besser ab und diente dadurch nicht nur als standesgemäßes Dekor, sondern trug doch auch erheblich zum Reisekomfort bei. Doch trotz aller getroffener Vorkehrungen konnte nicht verhindert werden, dass wir uns nach kürzester Zeit sehr kniestig und staubig fühlten, Sand und andere Partikel unbekannter Herkunft knirschten zwischen unseren Zähnen und unsere Haare waren staubig und mit einer Art Rußschicht belegt, welche uns ein reichlich ungepflegtes Äußeres verlieh.

Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichten wir Tughlaqabad, welches eine der sagenhaften sieben Hauptstädte darstellt, die innerhalb des Gebiets des heutigen Delhis gelegen sind. Sie soll als dritte Stadt in der Geschichte Delhis um 1320 von Tughlaq, einem Eroberer türkischen Ursprungs, gegründet worden sein. Tughlaq war zwar Muslim, gehörte aber nicht der bekannten Mogul-Dynastie an, sondern wird der sogenannten Epoche des Sultanats von Delhi zugeordnet, welches zwischen 1200 und 1500 unter verschiedenen Herrschern bestand. Der erste Muslim, der einige Hindukönigkreiche in Nordindien unterwarf und die über 500jähirge Fremdherrschaft einläutete, war Aibak, ein ehemaliger Sklave. Seine Familie wurde von der Tughlaq-Dynastie abgelöst, welche ihrerseits wiederum schon etwa 100 Jahre nach Machtergreifung von mongolischen Angreifern besiegt wurde, die das Königreich unterwarfen. Erst über 200 Jahre später wanderten die aus der Türkei stammenden Moguln ein, unter denen die Blütezeit der muslimischen Herrschaftsperiode eintreten sollte.

Obwohl innerhalb des Tughlaqabad-Forts keine Gebäude erhalten geblieben sind, war unser Spaziergang ganz interessant. Die dicken, aus massigen Steinklopsen errichteten Außenmauern, die zu großen Teilen vollkommen intakt scheinen, umfassen mit einer Gesamtlänge von sechs Kilometern eine gewaltige Fläche, innerhalb welcher die damals dicht besiedelte Hauptstadt des Königreichs lag. Wie sich bei unserem Spaziergang durch die mit Dornenbüschen bewachsene Landschaft herausstellte, wird das ehemalige Fort von den Bewohnern des nahegelegenen Dorfes Tughlaqabad (einer Art ländlich anmutendem Slum) sowohl als Sportplatz als auch als Toilette benutzt.. die Gegend ähnelte einer Mischung aus Cricket- und Tretminenfeld.

[ein riesiges Wasserreservoir ..wozu wohl diese über die Kanten des Beckens herausragenden Steinpfeiler gut waren? ..dienten sie vielleicht als königliches Einmeterbrett, je nach Wasserstand vielleicht auch Dreimeterbrett?]

Nachdem wir uns ein paar Stunden gesonnt hatten, preschten wir auf der Stunner in den Norden, nach Saket, wo wir trotz miserabler Aufmache in einer der Megamalls eine herrliche Steinofenpizza bestellten.. dieser Ausflug stellte sich wenig später als Fehlentscheidung heraus, als wir nämlich feststellen mussten, dass wir uns reichlich verspätet hatten. Um 15.30 Uhr sollte Sanyat nämlich Aakashi am Flughafen abholen, die für ein einmonatiges Praktikum nach Delhi kommen sollte. So schnell wie möglich versuchten wir, gen Süden und zum Flughafen zu gelangen, was durch die übliche Verkehrsdichte sowie ebenfalls recht typischen Orientierungsverlust verkompliziert wurde.. solange wir uns am Qutab Minar orientieren konnten, ging alles noch halbwegs gut, doch unmittelbar hinter dem fünfstöckigen Turm verfuhren wir uns und fanden uns – wie genau, ist uns schleierhaft – kurz darauf in der Altstadt des Viertels Mehrauli wieder. Die engen Gassen des belebten Bazars waren komplett verstopft mit Rikschas, Motorrädern und vor allem Fußgängern, welche drückend und drängelnd versuchten, von der Stelle zu kommen. Kühen und Lastenfahrzeugen ausweichend rollten wir langsam vorwärts, sich vor uns auftuende Lichtungen für ein etwas schnelleres Vorankommen ausnutzend. Sanyat war vor allem erpicht darauf, den ersten Gang zu vermeiden, da dieser ein wenig zu klemmen schien, weswegen das Motorrad mehrmals abwürgte, noch dazu auf einer Straße mit leichtem Gefälle und schwerem Schlaglochbefall.. dass das Motorrad nicht umkippte, wirkt im Nachhinein wie ein Wunder, vor allem weil Sanyat nach einer Weile im Stop-and-Go noch die Idee hatte, seinen Cousin anzurufen, damit dieser Aakashi in Empfang nähme. Mit einer Hand das Telefon haltend manövrierte er das Motorrad in Schrittgeschwindigkeit bergauf zwischen ein paar Kulis hindurch, während ich hinter ihm herumzappelte, um während der Fahrt Fotos zu machen.. den krönenden Abschluss stellte mein Versuch dar, Sanyat nach Beendigung des schreiend ausgeführten Telefonats seinen Helm wieder aufzusetzen: Dabei misslang es mir, das Ding über seinen Schädel zu zwängen, wodurch es auf eine Weise steckenblieb, welche ihm jegliche Sicht nahm und er somit für einige Meter vollkommen blind durch Schlaglöcher und Gruppen von Fußgängern hoppelte. Zu meiner Erleichterung musste er darüber genauso sehr lachen wie ich.. und nach einigen Minuten der nervenaufreibenden Slalomfahrt gelangten wir glücklicherweise auf eine breitere, offene Straße, auf welcher wir im Affenzahn gen Flughafen rasten.

Der Kontrast zum eben erst zurückgelassenen Marktviertel war dabei enorm.. auf weiten mehrspurigen Highways und unter hochbahnartigen Metro-Tracks und Fly-Over-Konstruktionen hindurch kehrten wir zurück in die hypermoderne Büro-, Einkaufs- und Geschäftsgegend Gurgaon und erreichten schließlich sogar noch rechtzeitig den Flughafen.