So packte ich an besagtem Abend Sanyat, Isha und ein hyperkitschiges Blumengesteck in eine Riksha und auf ging’s nach Padam Nagar, einem Viertel Old Delhis. Die reception sollte laut Einladung um 20 Uhr beginnen.. wir kamen kurz vor 9 an, der relativ kleine marriage ground war noch fast leer. Wir setzten uns auf rot bespannte Stühle und warteten, niemals cold drinks, Kaffee oder pakoda-Snacks ausschlagend, wobei die unverhohlen neugierigen Blicke der Verwandtschaft uns nur in den ersten fünf Minuten leicht verunsicherten. Isha äußerte mehrfach Bedenken, ob wir uns in Anbetracht der Tatsache, dass sowohl Braut als auch Bräutigam bisher durch Abwesenheit glänzten, überhaupt sicher sein könnten, dass wir uns auf der richtigen Feier befänden. Wir schlugen alle Zweifel in den Wind. Beunruhigend war jedoch auch ein penetranter professioneller Sikh-Kameramann, der wohl beschlossen hatte, mir die Hauptrolle im Hochzeitsvideo zukommen zu lassen und uns quasi auf Schritt und Tritt folgte und Standbilder von meinem Gesicht oder unserem Gesteck oder beidem, Gesicht und Gesteck auf die Leinwände projizierte. Besonders peinlich wurde dieses monitoring als wir kurz darauf beschlossen, die Wartezeit mit essen zu verkürzen. Dazu begaben wir uns an die Snack-Bar und aßen Obstsalat mit Chunky Chaat Masala, Aloo Tikkis, Chillas (Besan-Pfannkuchen mit Paneer-Füllung, mein erstes Mal! wir hatten gleich 4 davon!), Pani Puri.. und Eis! Ich glaube, wenn die Fotos und Videos des Abends später ausgewertet und im Kreise der Familie angeschaut werden, könnte ich mich rückwirkend blamieren.. „Ah, da ist das ausländische Mädchen.. sie isst Eis. Und dann essen sie Nudeln. Und da isst sie schon wieder Eis.. und Obstsalat.. und nochmal Eis?! Und dann haben sie Kaffee.. und .. Eis?!“ :) ich hatte mindestens fünf Kugeln..! das war aber definitiv die richtige Entscheidung, denn die Hauptspeisen waren wirklich nicht gut, Pulao, Mix Veg und Naan schmeckten allesamt ziemlich modrig..
[Trivenis Schwester und ein paar Cousinen erwarten die Ankunft des Bräutigams]
Gegen 22.30 Uhr kam dann endlich der Baarat an, das ist die Hochzeitsprozession, in welcher der beturbante Bräutigam auf einem weißen Pferd und gefolgt von seinen Verwandten und einer Blasmusikband zum marriage ground reitet. Dort wird er von der Mutter und den Schwestern der Braut empfangen und dann führt der Familien-pandit (Priester) einige religiöse Rituale aus.. es war so cool, das Prozedere wahrhaft aus erster Reihe mitzuerleben (was möglich war, da die meisten Gäste die weitere Plünderung des Buffets dem Beiwohnen der alten Zeremonien vorzogen), auch wenn alles ein wenig random wirkte, weil es zwischen den zwei Familien und dem pandit eine kleine Diskussion über die ordnungsgemäße Abwicklung der Riten kam.. wie immer spielten Kokosnüsse eine Hauptrolle.
[der Bräutigam durchläuft bei Ankunft des Hochzeitsgeländes das übliche Prozedere.. und sah dabei irgendwie nicht wirklich entspannt aus]
Nachdem der Bräutigam dann auf der übertrieben geschmückten Bühne auf einem goldenen Thron platzgenommen hatte, warteten wir weitere eineinhalb Stunden, bis gegen 23.45 Uhr und damit mit nur vier Stunden Verspätung Triveni auf ihrer eigenen Hochzeit auftauchte. Sie hatte offensichtlich einige Zeit im beauty parlour verbracht, war sie doch über und über dekoriert und so schwer mit Schmuck behängt, dass sie ernsthaft kaum laufen konnte! Aber sie sah wirklich sehr hübsch aus.. nur hatte sie immer so einen ernsten, fast traurigen Gesichtsausdruck. Als sie mich entdeckte, musste sie sich aber das Grinsen verkneifen, das hab ich gesehen :)
[Triveni mit ihren Eltern.. ein irgendwie trauriges Bild, als wäre den Eltern schmerzlich bewusst, dass sie ihre Tochter weggeben.. in einen anderen Haushalt.. und selbst rechtlich gesehen wechselt eine Frau.. wenn nicht den Besitzer, so doch den Verantwortlichen.. die Vormundschaft geht laut Hindu Marriage Act vom Vater auf den Ehemann über..]
Sie setzte sich auf der Bühne neben ihren zukünftigen Ehemann (den sie übrigens erst seit drei Monaten kennt!) und die beiden tauschten dem Brauch entsprechend Blumengirlanden aus. Danach zollt man als Gast Respekt, indem man auf die Bühne kommt und gratuliert, es werden geldscheingefüllte Umschläge überreicht, wovon Beweisfotos gemacht werden.. und das passiert, je nach Besucherstärke, bis zu 4000mal! Auch wenn auf dieser Hochzeit nur sehr wenig Besucher waren, vielleicht um die 200, war es für Triveni und Dilip bestimmt noch ne lange Nacht.. wir drei konnten uns hingegen schon gegen Mitternacht nach Hause begeben.