[der Hawa Mahal (Windpalast), dessen Bienenwabenstruktur das Wahrzeichen Jaipurs darstellt]
Einige Zeit später, fast pünktlich zum Sonnenaufgang, kamen wir tatsächlich am Man Sagar-See an, wo wir uns den sehr erhaben in dessen Mitte gelegenen Jal Mahal (Wasserpalast) anschauten. Die umliegenden Berge, welche sich im Morgenlicht dunkel von der lachsfarbenen Wasseroberfläche und dem blassrosa Himmel abhoben, schlossen den schwimmenden Palast in ihrer Mitte ein – ein schöner Anblick. Eigentlich beeindruckend, wenn nicht gar beängstigend, war jedoch ein unbeschreiblich riesiger Schwarm schwarzer Vögel, den wir, von der harmonischen Szenerie ganz benommen, plötzlich entdeckten! Wie ein wabernder Fingerabdruck wälzte sich der Schwarm vom Horizont her in unserer Richtung über den Himmel.. Zunächst waren wir gar nicht sicher, was diese hin- und herschwebende, vibrierende dunkle Wolke überhaupt darstellte! Da jedoch rund um den See allgemein erstaunlich viele rabenähnliche Flugtiere auf den unter dem Gewicht der Lebewesen niedergedrückten Büschen saßen, sahen wir doch ein, dass es sich wohl um Vögel handeln musste. Wir schätzten, dass da bestimmt um die 10.000 Vögel im Gleichklang herumflatterten.. aber sowas kann man ja eigentlich schwer erahnen.. war jedenfalls sehr einprägsam.
[Aussicht auf den Jal Mahal von einem der umliegenden Berge aus]
Wir setzten unsere Entdeckungstour fort und fuhren auf einer Straße, welche sich durch brachlandartiges Unterholzgestrüpp schlängelte, auf einen der umliegenden Berge.. die Gegend ist bewohnt von dermaßen vielen Pfauen, dass man nach einer Weile schon nicht einmal mehr den Kopf nach ihnen dreht, da sie ihren besonderen Zauber verlieren und einem so alltäglich wie struppige, graue Straßentauben erscheinen. Kurz darauf durfte ich zum ersten Mal in einem Linksverkehrauto fahren. Dabei musste ich selbstverständlich beweisen, dass ich des burschikosen Rasens fähig bin.. bei der hardy-style Demonstration meines Draufgängertums gefährdete ich gezwungenermaßen das Leben zahlreicher unvorsichtig die Straße querender Pfauen. Diese Feldwege, welche die Zufahrt zum in den Aravallibergen gelegenen Nahargarh Fort darstellen, sind genau für solche Praktiken übrigens indienweit bekannt..seit dem Film „Rang de Basanti“ (Färbe mich in Safranfarben), in welchem die Hauptdarsteller sich dort des Nachts und ohne Scheinwerfer ein Autorennen geliefert haben. War irgendwie cool, diesen selbst mir (die ich nur wenige indische Filme gesehen habe) bekannten Drehort zu besuchen und dort genau das zu tun, wofür der Platz bekannt ist :)
Nachdem wir ein wenig auf dem komplett vereinsamten Geisterfort herumgewandert waren, kehrten wir nach Hause zurück, duschten schnell und eilten dann zum Literature Festival, wo wir uns eine Diskussionsrunde zur Zukunft AfPaks und der unruhigen Region Mittelasiens anhörten. War leider nicht besonders ansprechend, da nur recht allgemeine Phrasen gedroschen wurden à la „es ist wichtig, die verschiedenen ethnischen Gruppen zu einem friedlichen Miteinander zu bringen“. Interessant auch die Antwort auf eine Frage aus dem Publikum, wer genau denn die Taliban eigentlich seien: „Die Taliban setzen sich aus zwei Gruppierungen zusammen.. den alten Taliban, das sind diejenigen, die sich schon zur Zeit der russischen Besatzung vereinigt haben.. und den neuen Taliban.“ Achso, ja. Naja, vielleicht war ich auch lediglich wegen der anhaltenden Magenschmerzen wenig aufnahmefähig.
[eine coole Lounge auf dem Festivalgelände.. allgemein war die Atmosphäre dort sehr ungewöhnlich.. progressiv und aufgeklärt.. westlich auf eine intellektuell-künstlerische Art und Weise, was man in Indien sonst eher selten findet. die Menschen waren teilweise aber auch recht ..nervig, gewollt arty-arty gekleidet mit verstrubbeltem Haar, Leinensakkos und dicken Hornbrillen, so dass man fast den Eindruck hatte, sich selbst zu inszenieren sei mindestens so wichtig wie der Besuch der Veranstaltungen an sich..]
Später am Tag hörten wir uns an, was Henning Mankell, der alte Schwede, so zu erzählen hatte.. mein absolutes Highlight. Herrlich märchenonkelartig erzählte er, über seine Lesebrille hinweg ins Publikum schmunzelnd, von seiner Jugend (er schmiss mit 15 die Schule und heuerte auf einem Handelsschiff an, auf welchem er nach Südamerika fuhr, um auf andere Weise übers Leben zu lernen.. später lebte er in Paris, wo er mit 18 sein erstes Schauspiel veröffentlichte), von den 30 Jahren seines Lebens, die er in Afrika verbracht hat und von allen möglichen lustigen Anekdoten.. sehr cooler Mann :)
Nach dem Abendessen daheim (welches ich willensstark zurückzuweisen vermochte) besuchten wir für eine kleine Weile Rajeev-Chacha und bestiegen anschließend den nur zweieinhalb Stunden verspäteten Bus nach Delhi. Die Nacht war grauenhaft.. das Schlafen in sitzender Position bei sowieso ganz schrecklich schmerzendem Magen war meiner Gesundheit nicht unbedingt zuträglich.. gegen 4 Uhr morgens kamen wir am Bikaner House in Süddelhi an, von wo aus wir noch eine halbe Stunde in einer abartig zugigen Autoriksha nach Hause fahren mussten. Doch nichts desto trotz war dies einer der besten Kurztripps nach Rajasthan ever :)