Weil ich nicht zu den zurzeit stattfindenden Examen zugelassen wurde (weil ich keine Roll Number hab.. was der Fall ist, da ich keine Studiengebühren zahle.. was darauf zurückzuführen ist, dass ich unter einem Memorandum of Understanding zwischen meiner Uni und der Delhi University hier studiere.. ein Umstand, der der Tatsache zu verdanken ist, dass ich Austauschstudent bin.. sehr viel scheinbare Logik.. sehr viel Unsinn, wenn man bedenkt, dass ich hierhergekommen bin, um zu studieren und nicht umsonst).. musste ich erbittert darum kämpfen, dieses Semester überhaupt irgendeine Leistung erbringen zu dürfen. Ich entschied mich dafür, im Rahmen der Seminar and Discussion Society eine Präsentation zu halten.. glücklicherweise gelang es mir, die verantwortliche Professorin (bei ihr besuche ich zufällig auch die Environmental Law Vorlesung) davon zu überzeugen, mich auch eine umfangreichere Hausarbeit zum gleichen Thema anfertigen zu lassen. In Kombination mit dem halbstündigen Vortrag kann diese Leistung dann hoffentlich meinen Seminarschein, den ich im Rahmen des Jurastudiums in Deutschland erbringen muss, ersetzen. Und wenn das nicht klappen sollte, hab ich wenigstens den einen Leistungsnachweis sicher, der von Austauschstudenten pro Semester gefordert wird.. hoffentlich. Meine Professorin versetzte das auch nicht gerade in eine ungünstige Lage..einerseits plant sie, mein research paper (unter ihrem Namen) in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen.. das ist (hier?) scheinbar üblich. Andererseits sah sie sich in der Position, relativ hartnäckig von mir zu verlangen, ihr für nächsten Sommer eine Wohnung in Deutschland zu organisieren, wenn sie für einen Zeitraum von drei Monaten im Rahmen eines internationalen Forschungsprogrammes am Max-Planck-Institut in Hamburg arbeiten wird.. sie schien anzunehmen, ein solcher Maklerdienst sei für mich eine Kleinigkeit, da sie, nachdem ich endlich eine Bleibe gefunden hatte, auch noch Ansprüche stellte.. trotz verschiedentlicher Extrawünsche ist es mir nun gelungen, diesen Auftrag auszuführen.. mir blieb ja keine Wahl.
Das Thema meiner Hausarbeit war ganz interessant: “Legalization of Commercial Surrogacy in India: the Assisted Reproductive Technology (Regulation) Draft Bill 2010 in light of the case Jan Balaz v. Anand Municipality” Es ging um das internationale Leihmuttergeschäft anhand des Falls eines deutschen Paars, das in Indien ein Kind hat austragen lassen und anschließend mit verschiedenen rechtlichen Problemen konfrontiert war. Indien ist eines der wenigen Länder weltweit (unter ihnen Großbritannien und die Ukraine), die das kommerzielle Geschäft zwischen kinderlosen Paaren, Ersatzmüttern und auf künstliche Befruchtung spezialisierten Kliniken zulässt. Damit soll der medizinische Tourismus im Land gefördert werden, der laut Schätzungen der Confederation of Indian Industry einen jährlichen Gewinn von 2,3 Mrd. US-$ einbringt. Viele unfruchtbare Paare reisen ins Ausland, um sich dort einer ART-Behandlung (künstliche Befruchtungen und andere Techniken im Zusammenhang mit menschlicher Fortpflanzung) zu unterziehen. Die Entscheidung fällt dabei oft auf Indien, da das Land erstklassige medizinische Versorgung zu bieten hat und weil die Kosten für eine Ersatzmutterschaft hier fast unschlagbar niedrig sind. Für eine Leihmutter zahlt man in den USA durchschnittlich 50.000 US-$, in Indien sind es nur vergleichsweise günstige 10.000 US-$. Der Grund für dieses Preisgefälle liegt wie in anderen Gewerben auch im Stundenlohn der Dienstleistenden – Indien hat eine riesige Anzahl in Armut lebender junger Frauen aufzuweisen, die für geringe Entlohnung bereit sind, ein Kind für ein unfruchtbares doch zahlungsfähiges Paar auszutragen. Dadurch entsteht die Gefahr der Ausbeutung.. es kann kaum sichergestellt werden, dass die Leihmütter sich gänzlich freiwillig für eine Schwangerschaft entscheiden und nicht aus finanziellem Zwang heraus (hm...was heißt dann überhaupt Freiwilligkeit.. irgendwelche more or less compelling factors spielen ja eigentlich in jede Entscheidung mit hinein). Dass sich die jungen Frauen aufgrund von mangelhafter Bildung und Aufklärung den Langzeiteffekten einer oder gar mehrerer Schwangerschaften auf ihren Körper nicht bewusst sind, ist ein weiteres Problem.
Der Fall, anhand dessen ich meine Arbeit aufgezogen habe, ist der des Deutschen Jan Balaz, der zusammen mit seiner Lebenspartnerin im Jahr 2007 nach Indien kam und mit einer indischen Frau einen Vertrag über eine Leihmutterschaft abschloss. Im Januar 2008 wurde aus der Behandlung ein Zwillingspaar geboren. Die Verwaltungsbehörde der Stadt Anand in Gujarat stellte bald darauf Geburtsurkunden für die beiden aus, welche als Eltern Jan Balaz sowie die indische Leihmutter angaben. Das für Ausweise zuständige Amt fertigte zunächst auch indische Pässe für die Kinder an, forderte diese nach wenigen Wochen aber zurück, da Unklarheit herrsche, wer als Mutter der Kinder angesehen werden solle. Im Zusammenhang damit sei man unsicher, ob die Zwillinge überhaupt als indische Staatsbürger gelten könnten. Jan Balaz musste die Pässe seiner Söhne also zurückgeben, forderte aber, man solle ihm diese wieder ausstellen, da eine Verweigerung des Identitätsnachweises eine Verletzung von Art. 21 (Right to Life and Personal Liberty) der indischen Verfassung darstelle. Er brachte vor, die Kinder seien als Inder zu betrachten, da sie von einer indischen Frau zur Welt gebracht worden seien. Des Weiteren seien seine Kinder im Falle einer Verweigerung der indischen Nationalität staatenlos, da Leihmutterschaft in Deutschland verboten ist und daher auch keine Aussicht auf deutsche Staatsangehörigkeit bestehe. Er bezog sich dabei auf § 1 (1) Nr. 7 des deutschen Gesetzes zum Schutz von Embryonen: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen.“. Der Fall gelangte zunächst vor das Oberste Gericht (High Court) des Bundesstaates Gujarat. Die Richter befanden, dass unter dem Indian Evidence Act keinerlei gesetzliche Vermutung gezogen werden könne, die Auftraggeberin einer Leihmutterschaft sei die gesetzliche Mutter der aus dieser Mutterschaft geborenen Kinder. Vielmehr müsse ausgehend von der eigentlichen Bedeutung des Wortes Geburt diejenige Frau als Mutter gelten, die ein Kind tatsächlich zur Welt bringt. Dies sei im Fall der Balaz-Zwillinge die indische Leihmutter. Das Gericht ordnete folglich die indische Regierung an, die Pässe der Zwillinge wieder auszustellen und wies zugleich auf die dringende Notwendigkeit einer gesetzlichen Regulierung des Ersatzmutterschaftssektors hin. Die indische Regierung ging daraufhin in Revision vor dem Supreme Court, welches sich nun mit dem Fall zu beschäftigen hatte. Ein Urteil wurde noch nicht gefällt, jedoch hat das Gericht in Anbetracht der weitreichenden Konsequenzen jeder weiteren Verzögerung für die betroffene Familie in der Zwischenzeit angeordnet, dass den Kindern Indentity Certificates ausgestellt wurden, mit welchen zumindest eine Ausreise aus Indien möglich ist. Im Mai 2010 fertigte die deutsche Botschaft – wohl aus Mitleid – Einreisevisa für die beiden Kinder an, so dass sie ganze zwei Jahre nach ihrer Geburt endlich in ihr (zukünftiges) Heimatland ausreisen konnten. Nach wie vor bleibt jedoch die Frage nach der rechtlichen Elternschaft und der Staatsangehörigkeit der Zwillinge ungeklärt.
[Henni im September in Kamla Nagar.. das ist das Bazaar-Viertel in der Nähe der Uni.. eines Nachmittags, als wir uns dort auf der Suche nach einem Kaffee durch die Straßen trieben, entdeckten wir zwischen einer Filiale der State Bank of India und einer der unzähligen Billig-Boutiquen (eine lebensgroße Papp-Britney-Spears lächelte uns aus dem Schaufenster entgegen) einfach eine Test Tube Baby Clinic.. sie sind überall!]
Im Licht dieser Komplikationen wurde ein erneuter Versuch unternommen, die Materie der kommerziellen Leihmutterschaft rechtlich zu regeln, nachdem ein erster Gesetzesentwurf dazu im Jahr 2008 im Sand verlaufen war. Der Entwurf legt Rechte und Pflichten von Ei- oder Samenspendern, Leihmüttern und intendierten Eltern nieder. Meiner Meinung nach ist der Hauptkritikpunkt der, dass die Leihmütter nicht effizient genug vor Ausbeutung bewahrt werden. Zwar wurde, um zu verhindern, dass Frauen die bezahlte Schwangerschaft (aus Mangel an Alternativen) zu ihrer einzigen und dauerhaften Einnahmequelle machen, die Anzahl der ART-Behandlungen, die eine Frau unternehmen kann, limitiert. Dabei wurde als Obergrenze allerdings ein Maximum von fünf Geburten festgelegt, weswegen der Gesetzesentwurf insoweit als zu kommerziell-kapitalistisch und nur halbherzig um den Schutz der Ersatzmütter bemüht kritisiert wird. Der Assisted Reproductive Technology (Regulation) Act sollte nach jahrelangen Verzögerungen in der diesjährigen Monsun- oder Sommer-Session der Lok Sabha beschlossen werden, was allerdings nicht geschehen ist. Aufgrund der fortbestehenden Rechtsunsicherheit haben verschiedene Botschaften in Indien (darunter auch die deutsche, französische und italienische) Bekanntmachungen an ART-Kliniken im ganzen Land versendet, die dazu auffordern, keine Behandlungen an Bürgern der entsprechenden Nationen durchzuführen.