Donnerstag, 4. November 2010

Rafting in Buntar

Am 11. Oktober erreichten wir gegen 12 Uhr Mittagszeit den Ort Buntar, einen Vortort des bei Touristen vor allem für alle Arten von adventure-sports relativ bekannten Kullu. Gleich am Ortseingang fanden wir, wofür wir hier hergekommen waren: White Water Rafting! Ohne Umschweife buchten wir eine 10-Kilometer-Tour, zogen kurze Klamotten an und kletterten auf die Ladefläche eines kleinen Transporters, welcher uns und unser Boot mit Affenzahn flussaufwärts zur Landungsstelle transportierte. Es war decently warm in der Sonne, doch beim Anblick des grauen, schäumenden Beas ahnte ich schon, dass wir noch ordentlich frieren würden..

Wir schnürten uns unsere Rettungswesten an und kletterten in das Boot, wobei ein erster Kontakt mit dem Wasser mir Schauer über den Rücken jagte. Langsam trieben wir flussabwärts, währenddessen wurden wir kurz in die Arbeitsteilung an Bord eingeführt: Zwei von uns würden paddeln, während eine dritte Person vorerst tatenlos auf einem Luftpolster im Bug sitzen würde. Außer uns waren noch drei Angestellte des Rafting-Anbieters mit von der Partie, die ebenfalls paddelten bzw. das Steuer übernahmen.

Wir fingen also an zu paddeln, die koordinierenden Rufe des Steuermannes im Ohr „forward.. all forward team“ und schon näherten wir uns den ersten Stromschnellen! Auf Geheiß des Kapitäns ruderten wir mit voller Kraft, obwohl alles vergebens schien, da unser Schiffchen ganz unabhängig von unseren Bemühungen von den Strömungen herumgewirbelt wurde und in sich vor uns auftuende tiefe Wellentäler stürzte. Daher kam der Befehl: „High sight!“ und die zwischen Sanyat und mir sitzende Aakashi, die bisher nicht am Manövrieren beteiligt gewesen war, musste sich bäuchlings nach vorne werfen, so dass ihr Kopf über den Bugspriet hinaushing.. durch das Gewicht im Vorderteil des Bootes sollte verhindert werden, dass wir allesamt hintenüberkippten, wenn nach einer Talfahrt plötzlich eine steile Wasserwand vor uns aufragte. Die Aufgabe des High-Sighters erfordert wahren Ganzkörpereinsatz.. Aakashi tauchte mit ihrem Kopf in der kalte Wasser! So meisterten wir komplett durchnässt die ersten Stromschnellen.. erst danach, auf einem etwas ruhigeren Abschnitt, wo wir gemächlicher paddelten – „relax, team..“ – begannen wir richtig zu frieren.. es war relativ windig und bald zitterten wir am ganzen Körper und klapperten mit den Zähnen.

Entsprechend wenig enthusiastisch war ich, als uns angeboten wurde, dass wir die Ruhe vor den nächsten Stromschnellen für ein Bad im Fluss nutzen sollten.. naja, so eine Gelegenheit bietet sich nicht alle Tage! Ich sprang meinen beiden Gefährten hinterher in das dunkle Wasser.. wie tausend Nadelstiche spürte ich es auf meiner Haut, jedenfalls an den Armen.. an andere Eindrücke erinner ich mich gar nicht, ich strampelte ganz angestrengt vor lauter Angst, ich könnte vielleicht erfrieren. Ich glaube, ich hätte mich mehr auf diese Erfahrung einlassen sollen.. ein bisschen mit den kalten Fluten treiben oder untertauchen. Stattdessen versuchte ich nur möglichst schnell, wieder an Bord zu krabbeln – wie eine lahme Robbe wurde ich von der Rafting-Crew an meiner Weste aus dem Wasser gehievt, die Glieder taub vor Kälte prallte ich auf den Planken auf und fand aufgrund meiner kältestarrebedingten Unbeweglichkeit einige Mühe, mich aufzurappeln. Auf ähnliche Weise meisterten wir noch einige Stromschnellen mehr, wobei jeder mal die Rolle des High-Sighters übernehmen durfte. Aakashi und Sanyat nahmen noch zwei weiter Male die Gelegenheit wahr, im Fluss zu baden.. ich verfrorener Jammerlappen war leider zu zartbesaitet, was mich im Nachhinein ärgert, weil die Erfahrung einer solchen Kälte.. interessant hätte sein können. Immerhin war ich nach 40 Minuten, als wir uns der Anlegestelle näherten, noch in der Lage, zu sprechen, wohingegen Sanyat aufgrund stark ausgeprägten Zähneklapperns eher schnatterte und kaum zu verstehen war. Ungelenkig und steif kletterten wir schließlich aus dem Schlauchboot und staksten an Land.. die Kälte hatte mittlerweile auch unser Hirn angegriffen, so schien es – wir fühlten uns merkwürdig leicht und kicherten.

Einige Chai-Wallas am Ufer hatten offenbar Mitleid mit diesen drei geisteskranken Jungspunden, sie entfachten aus Pappkartons und anderem Müll ein Feuer, an welchem wir uns ein wenig wärmten. Leider war mein Gleichgewichtssinn so angegriffen, dass ich fast in die Flammen kippte. Nachdem unsere Lebensgeister wenigstens annähernd in unsere merkwürdig schwerelos-schwebenden Körper zurückgekehrt waren, zogen wir uns um und fuhren dann nach Buntar hinein, auf der Suche nach heißem tibetanischem Essen. In einem kleinen Restaurant wurden wir bald fündig und genossen die weltbesten Momos, die je unseren Gaumen berührt hatten!

Anschließend wankten wir zu unserem Auto und ließen uns in die weichen Sitze sinken, unsere Hirnfunktionen nach wie vor minimiert. Das nächste und vorletzte Ziel unserer Reise: Sundarnagar. Gegen 18 Uhr kamen wir dort bei Sanyats und Aakashis Maussi (Schwester der Mutter) an.

[Fahrt durch das atemberaubend tropisch-schöne Mandi-Valley]

5 Kommentare:

Doro hat gesagt…

Hi Vicky, das ist ja atemberaubend!

die Mama hat gesagt…

BRRRR, das wäre nix für mich gewesen! Wie waren den Lufttemperatur und Wassertemperatur? Kann mir das gar nicht vorstellen, bei uns ist es doch schon sehr herbstlich, obwohl wir in den vergangenen Tagen auch stellenweise 18° C hatten. Aber definitiv zu kalt für kurze Hosen und T-Shirts und Riverrafting.... und das Wasser kommt aus dem Hochgebirge....

die Mama hat gesagt…

Tolle Fotos von eurem Himalaya-Tripp, schön auch dass du auf einigen zu sehen und dass es dir offensichtlich richtig gut geht.

Michael hat gesagt…

Rafting! Yeah! Aber wir hatten damals dicke Neopren-Anzüge an und haben uns trotzdem einen abgefroren. Ihr seid ja die Eisenharten!

Anonym hat gesagt…

Hi Vicky, ich möchte Dich heute wieder mit einer meiner Vorstellungen konfrontieren: Lehrmeinung des Wirtschaftsprofes-sors Illic (70-er Jahre)aus USA: Jedes Produkt, das über den Bedarf und die wahren Bedürfnisse der Menschen hinaus hergestellt wird, fängt an, sich selbst zu zerstören (Zwang zur Lagerhaltung, Einkauf auf Vorausplanung, Zwang zu innovativen Strategien etc). Und wenn man diese Lehrmeinung auf die modernen Industriegesellschaften in Ihrer Gesamtheit projeziert, dann geht einem schon ein Licht auf, auch über die soziale Unruhe, die sich bei uns breit macht. Wenn ich nun diese wunderschönen Bilder einer unberührten Natur sehe und Deine Erzählungen von einfach lebenden Menschen hoch in den Bergen, dann komme ich schon ins Grübeln, ohne mich irgendwelcher Sozialromatik hingeben zu wollen - und Du selbst hast Dich ja auch dahin gehend geäußert! Meine Frage nun an die jungen Menschen und angehenden Akademiker(?)und zukünftigen Gestalter Ihres Landes: Warum müssen die asiatischen Schwellenländer oder auch Großmächte eigentlich unbedingt die sog. hochzivilisier-ten Industriestaaten kopieren - und damit dieselben Fehler machen, die wir inzw. mit allergrößten Mühen wieder versuchen zu revi-dieren? Ist das Konkurrenzdenken und der Wirtschaftswettbewerb mit dem Westen für diese Länder wirk-lich überlebensnotwendig - oder ließe sich nicht ein anderer Weg finden? Ein Weg, der näher am natürlichen Leben bleibt und sich nicht auf höchste technische Geis-tesebenen begibt, um dort Produkte zu kreieren, die die Menschen an der Basis gar nicht brauchen - einfach am Bedarf und wirklichen Bedürfnis vorbei und damit "zer-störerisch". Ich meine, daß diese Länder mit dem Wissen um unsere Fehler die Möglichkeit haben müssen!! einen eigenen und besseren Weg zu finden, um Ihren Menschen ein zufriedenes und glückliches Leben zu ermöglichen. Oder ist das ein kindlicher Wunsch-gedanke von mir???? Vielleicht wäre es für diese Völker eine ganz herausragende Zivilisationsleist-ung, einen besseren Weg zu finden!! Würde mich freuen über eine Antwort. Herzlichst Caddi